Lina Morgenstern

Glaube, Andacht und Pflicht

Andacht am Neujahrestag

Von Gott ist Alles, was wir sind und haben, darum suche ich ihn an der Pforte des neuen Jahres.

Wie Tropfen der Ewigkeit rollen die Stunden unseres Lebens hin und die Zeit wächst zu Jahren, Jahrhunderten und Jahrtausenden, Menschengeschlechter kommen und gehen, Welten erstehen und sinken dahin — nur Gott allein bleibt für und für, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Wahrheit, Leben und Liebe!

Gepriesen sei Ewiger Dein Walten, und dass Du weislich den Lauf der Zeiten ordnest! Die Schöpfung gibt Zeugnis Deines Daseins, sie ist ein Denkmal Deiner Weisheit und Liebe. Und dem Menschen hast Du Einsicht und Empfänglichkeit, Gedanken und Sprache gegeben Dich zu suchen im Weltenall, Dich zu finden in allem Geschaffenen, Dich anzubeten, so lange er von Deinem Odem belebt ist! Voll Ehrfurcht gedenke ich der großen Vergangenheit unsrer Väter, denen die Lehre von Deiner Einheit offenbar ward, und ich stimme freudig in den Ruf ein:

Gott ist ein einziges, einiges Wesen
Gelobt sei sein Name und seine Herrlichkeit!

Lass o Gott! dies Jahr mir und den Meinigen ein Jahr des Lebens und der Freude sein, ein Jahr der Veredlung, geweiht mich meiner Bestimmung auf Erden wert zu erweisen! Wende von uns Krankheit und Not und verleihe uns Frieden! Gar mannigfach sind die Bedürfnisse des Lebens, aber ich begehre nicht nach Glanz und Sinnenlust, sondern nach Nahrung, Kleidung, Obdach und Zufriedenheit. Was nützen alle Güter und Vorzüge, so ich nicht die Zufriedenheit, die innere Befriedigung besitze? Nach ihr will ich ringen durch allseitige Anwendung meiner Kräfte zum Guten, durch Liebe und Gerechtigkeit! Segne Du mein Streben o Gott, Du Urquell des Friedens und der Glückseligkeit! Amen.

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