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Lina Morgenstern

Glaube, Andacht und Pflicht

Gebet der Jungfrau vor ihrer Verlobung

Allliebender!
ich stehe vor der wichtigsten Stunde meines Lebens. Ich will mich dem Mann angeloben, der mein Lebensgefährte, Herr meiner Zukunft werden soll!
Ich erbebe vor dem Ernst dieses Entschlusses und wende mich zu Dir o Gott, ehe ich ihn zur Tat reifen lasse!

Erleuchte mich mit dem Lichte der Wahrheit, damit ich nicht leichtsinnig nach äußerem Schein, sondern nach innerster Überzeugung, nicht im Rausche verblendender Leidenschaft, sondern mit dem Gefühle der Liebe und Achtung wähle.

Lass mich wohl bedenken, dass von diesem Schritt nicht nur mein Leben, sondern das Wohl und Wehe andrer geliebter Wesen abhängt!
Lass mich erwägen, dass nicht nur Freude und Wohlleben, sondern des Lebens Ernst und seine Pflichten mich in der Ehe erwarten, und dass ich mit Liebe und Treue ausgerüstet, allein dem Kampfe, der in keinem Leben ausbleibt, werde gewachsen sein müssen. Lass mich wohl unterscheiden, ob Schmeichelei und Überredung und die Sucht zu glänzen mich beeinflussen, oder ob ich der Stimme meiner Neigung folge, indem ich den Gatten erwähle, ob ich mit ihm alle Trübsale des Lebens werde tragen und ihm mutig zur Seite stehen wollen, wenn uns das Glück verlässt!

Lass mich erwägen, ob diese Ehe mich auch nicht in der Liebe meiner Eltern beeinträchtigen und ob sie mir Gelegenheit geben wird im Guten zu erstarken und ein würdiges Glied der Menschengesellschaft zu sein!
O Gott — und wenn ich Alles erwogen und bedacht habe und fest in dem Willen verharre den Gefährten meines Lebens zu erwählen, dann sei Dein Segen o Gott mit mir und unsrem Bunde und der Glaube an Dich sei auch fürder [weiterhin] meine Stütze, wie er meine Leuchte in den Tagen der Jugend war!
Amen.

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