Glaube, Andacht und Pflicht
Gebet der Jungfrau vor ihrer Verlobung
Allliebender!
ich stehe vor der wichtigsten Stunde meines Lebens.
Ich will mich dem Mann angeloben, der mein Lebensgefährte, Herr
meiner Zukunft werden soll!
Ich erbebe vor dem Ernst dieses
Entschlusses und wende mich zu Dir o Gott, ehe ich ihn zur Tat reifen
lasse!
Erleuchte mich mit dem Lichte der Wahrheit, damit ich nicht leichtsinnig nach äußerem Schein, sondern nach innerster Überzeugung, nicht im Rausche verblendender Leidenschaft, sondern mit dem Gefühle der Liebe und Achtung wähle.
Lass mich wohl bedenken, dass von diesem Schritt nicht nur mein
Leben, sondern das Wohl und Wehe andrer geliebter Wesen abhängt!
Lass mich erwägen, dass nicht nur Freude und Wohlleben, sondern des
Lebens Ernst und seine Pflichten mich in der Ehe erwarten, und dass
ich mit Liebe und Treue ausgerüstet, allein dem Kampfe, der in
keinem Leben ausbleibt, werde gewachsen sein müssen. Lass mich wohl
unterscheiden, ob Schmeichelei und Überredung und die Sucht zu
glänzen mich beeinflussen, oder ob ich der Stimme meiner Neigung
folge, indem ich den Gatten erwähle, ob ich mit ihm alle Trübsale
des Lebens werde tragen und ihm mutig zur Seite stehen wollen, wenn
uns das Glück verlässt!
Lass mich erwägen, ob diese Ehe mich auch
nicht in der Liebe meiner Eltern beeinträchtigen und ob sie mir
Gelegenheit geben wird im Guten zu erstarken und ein würdiges Glied
der Menschengesellschaft zu sein!
O Gott — und wenn ich Alles erwogen
und bedacht habe und fest in dem Willen verharre den Gefährten
meines Lebens zu erwählen, dann sei Dein Segen o Gott mit mir und
unsrem Bunde und der Glaube an Dich sei auch fürder [weiterhin]
meine Stütze, wie er meine Leuchte in den Tagen der Jugend war!
Amen.